13. Mai 2024
Wirtschaftsstandort: Österreich hat Aufholbedarf
Im Mai 2024 veröffentlichte das Beratungsunternehmen Deloitte sein jährliches „Deloitte Radar“, das die internationale Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschaftsstandorts untersucht. Dabei hat das Beratungsunternehmen den Status Quo unter die Lupe genommen und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt.
Von Karoline Sinhuber
Deloitte befragte im März 2024 rund 600 heimische Führungskräfte und analysierte die wichtigsten internationalen Rankings. Fazit: „Österreich verharrt seit einem Jahrzehnt im europäischen Mittelfeld – und hat es bis dato nicht geschafft, aus diesem Stillstand auszubrechen.“
(c)RX Austria & Germany/FRB Media/Emilia Schlögl
Einerseits zählt Österreich zu den reichsten Nationen der Welt, unsere exportorientierte Wirtschaft ist innovativ und erfolgreich, aber anderseits wächst die heimische Wirtschaft deutlich schwächer als in vergleichbaren europäischen Ländern – das belegen Analysen, Rankings und volkswirtschaftliche Parameter. Der Wirtschaftsstandort Österreich liegt im globalen und europäischen Vergleich nur im Mittelfeld, Tendenz sinkend.
In der Analyse des Beratungsunternehmens Deloitte haben die befragten Unternehmen zahlreiche Maßnahmen vorgeschlagen, aus denen sich drei zentrale Hebel ableiten lassen:
1. Mindset ändern und auf ein gemeinsames Ziel fokussieren
- Österreich unter die besten 5 in Europa bringen
- Steuern und Abgaben senken, Bürokratie reduzieren
- Senkung von Lohnnebenkosten
- Senkung von Lohn- und Einkommenssteuern
2. Vereinfachung der Verwaltung, Bekämpfung der Inflation
3. Intelligent investieren und Potentiale heben
- Bildung
- Arbeitskräfteoffensive
- Nachhaltige Transformation des Energiesystems
- Ausbau von Forschung und Innovation
Österreich in globalen Rankings
Im World Competitiveness Index des IMD ist Österreich innerhalb von 15 Jahren um 10 Plätze abgerutscht. (2008: Platz 14, 2023: Platz 24). Im Global Innovation Index liegt Österreich über die letzten Jahre konstant um den 18. Platz ohne Aussicht auf einen Spitzenplatz. Vergleichbar große Länder wie Schweden, Dänemark, Finnland, Irland, Niederlande oder die Schweiz liegen in den Rankings vor Österreich.
„Österreich bewegt sich seitwärts statt aufwärts. Im internationalen Kontext bedeutet Stillstand aber Rückschritt. Wenn sich andere Länder konstant besser entwickeln, verlieren wir auf Dauer an Wohlstand und damit an Sicherheit für alle“, heißt es im „Deloitte Radar“.
Stimmungsbild
Stimmungsbild
In den Unternehmen herrscht generell gute Stimmung, sowohl im Management, in der Belegschaft, als auch unter den Kunden und den Lieferanten. Die Einschätzung der allgemeinen Stimmung für den Standort Österreich fällt jedoch viel schlechter aus, nur ein Viertel der Befragten sehen sie positiv. Die dringendsten Handlungsfelder aus Sicht der Wirtschaftstreibenden sind die Bekämpfung der Inflation und die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums.
„Generell fällt auf: Die Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung ist deutlich schlechter, als es die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage im Land nahelegen würde. Das wiederum führt zu einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft. Es ist die Aufgabe der Politik, hier für mehr Optimismus zu sorgen und vorhandene Gräben zu beseitigen“, analysiert Harald Breit, CEO von Deloitte.
Gute Infrastruktur
Gute Infrastruktur
Die heimische Infrastruktur wird sowohl von internationalen Rankings als auch von den befragten Unternehmen positiv bewertet. Lediglich bei der Versorgungssicherheit mit Öl und Gas herrscht seit dem russischen Angriffskrieg Unsicherheit. Um das zu ändern, gilt es jetzt nicht nur neue Lieferquellen und Transportwege zu erschließen, sondern vor allem den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen.
Auch die Beurteilung für die Lebensqualität ist top, lediglich die Werte für den sozialen Zusammenhalt sind in den letzten Jahren gesunken.
Bei der Digitalisierung im öffentlichen Bereich herrscht Nachholbedarf
Bei der Digitalisierung im öffentlichen Bereich herrscht Nachholbedarf
Der Standortfaktor Digitalisierung und Innovation steht exemplarisch für die allgemeine Position Österreichs im europäischen Vergleich: Wir sind recht gut unterwegs, aber andere Länder sind schneller und weiter in der Umsetzung. Positiv gesehen werden Forschung und Entwicklung sowie die Forschungsförderung. Negativ sehen die heimischen Unternehmen die Fortschritte in der Digitalisierung in den Bereichen öffentliche Verwaltung, Bildungssystem und Gesundheitssystem.
Standortfaktor Arbeitskräfte
Standortfaktor Arbeitskräfte
Ein großes Problem orten die heimischen Führungskräfte auch im Arbeitskräftemangel. „Vor allem in den Beschäftigungsgruppen Frauen, Ältere und Migranten liegt ein großes, unausgeschöpftes Arbeitskräftepotenzial“, sagt Elisa Aichinger, Partnerin Consulting sowie Diversity- und Arbeitsmarktexpertin bei Deloitte. „Bessere Rahmenbedingungen und ein leichterer Arbeitsmarktzugang würden helfen, dieses Potenzial zu heben. Konkrete Schritte wären hier etwa eine schnellere Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, die Förderung einer gezielten Fachkräftezuwanderung, aber auch die Attraktivierung von Vollzeit zur langfristigen Absicherung des österreichischen Sozialsystems“, so Aichinger.
Für die nächste Regierung heißt das eines: Reformen umsetzen, um den Wirtschaftsstandort nicht nur abzusichern, sondern auch auszubauen und damit unter die Top-5 Europas zu kommen.
Die gesamte Studie finden Sie hier: https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/at/Documents/presse/at-deloitte-radar-2024.pdf